Überbordende Leistungserwartungen in Grenzen halten | CHECK.point eLearning
Keynote

Überbordende Leistungserwartungen in Grenzen halten

Stuttgart, Mai 2015 - Die Arbeitsdichte und Informationsflut in der digitalisierten Welt machen vielen Menschen zu schaffen. Einen Schutzwall gegen die potenzielle Überforderung seiner Arbeitskräfte hat der Energieversorger EnBW errichtet. Über "gute Zäune gegen Erreichbarkeitserwartungen" und andere tragende Elemente im mehrfach ausgezeichneten Unternehmenskonzept für gesunde Führung berichtet Annette Grötzinger, Konzernexpertin Arbeits- und Organisationspsychologie, am Mittwoch, 20. Mai, auf der Corporate Health Convention.

Die jährlich veröffentlichten Daten der Krankenversicherungen belegen einen deutlichen Anstieg psychischer Erkrankungen. Vor diesem Hintergrund habe EnBW bereits vor gut zehn Jahren damit begonnen, eine systematische Gesamtkonzeption zur psychischen Gesundheit aufzubauen, markiert Annette Grötzinger den Ausgangspunkt. Gesunde Führung sei im strategisch aufgestellten Betrieblichen Gesundheitsmanagement des Konzerns dabei ein Schwerpunktthema. "Wir wissen aus Studien, dass Führungsverhalten ein Keyfaktor für Arbeitgeberattraktivität, für Zufriedenheit, Engagement und Arbeitsfreude ist – und für den Unternehmenserfolg", begründet die Expertin, warum EnBW gerade hier den Hebel ansetzt.  

Multikausaler Hintergrund für psychische Erkrankungen

Ein Faktor für die Zunahme psychischer Erkrankungen seien die Veränderungen in der Arbeitswelt – gepaart mit den Erwartungen an private Rollen, die gesellschaftlich und in der Konsequenz auch individuell zunähmen:  "Also die Anforderungen, die man an sich selbst stellt oder von außen wahrnimmt." Positiv bewertet die Expertin die fortschreitende Entstigmatisierung psychischer Probleme. Der Medienhype um das Thema  Burnout habe sich diesbezüglich als Türöffner erwiesen, zudem gebe es Fortschritte in der medizinischen Diagnostik. "Die Ausbildung der Ärzte zu diesem Thema hat sich verbessert – insbesondere die der Hausärzte, die ja häufig erster Ansprechpartner bei gesundheitlichen Problemen sind."

Vorgesetzte und Kollegen handlungsfähig machen

Auf diese Weise steige die Wahrscheinlichkeit, dass Warnsignale rechtzeitig erkannt und angemessen behandelt würden. Doch noch immer bekämen viel zu viele Betroffene zu lange keine fachgerechte Unterstützung. Führungskräfte, Personalbereiche und Betriebsräte sollten hier fachgerecht handeln können, meint Annette Grötzinger. EnBW biete dazu ein umfassendes Beratungsangebot – für Betroffene und Führungskräfte ebenso wie für Personaler, Betriebsräte und Kollegen. Die Ärzte und Psychotherapeuten des Bereichs Arbeitsmedizin und Gesundheitsmanagement, die diese Aufgabe wahrnehmen, unterliegen der Schweigepflicht – ein wichtiger Aspekt für die Vertrauensbasis.

Stichwort New Work: Mobiles Arbeiten ausdrücklich erwünscht

Der Energiekonzern habe mobiles Arbeiten auf Wunsch der Mitarbeiter eingeführt. Zum Thema Erreichbarkeit hätten sich diese für Selbstbestimmung und damit eindeutig gegen Restriktionen wie etwa das Abschalten des Servers ausgesprochen. "Um zu hohe Erwartungen einzudämmen, ging es vielmehr darum, gute Zäune zu bauen", definiert Grötzinger das Anliegen. "Mitarbeiter, Führungskräfte, Betriebsräte, Topmanager – alle waren sich einig, dass wir keine ständige Erreichbarkeit erwarten, sondern nur innerhalb der definierten Arbeitszeit. Das haben wir in einem Führungsselbstverständnis formuliert und inzwischen konzernweit vereinbart." Die Führungskräfte seien bereitwillig mitgezogen, weil das Konzept sukzessive aufgebaut wurde und immer wieder Rückmeldungen aufgenommen würden. "Unsere Manager wurden nicht einfach zusammengetrommelt und frontal beschallt, sondern wir haben alle Schritte gemeinsam erarbeitet, ein partizipativer Prozess."

Tiefer Einblick in die Befindlichkeit der Belegschaft

Nicht zuletzt kämen interne Betriebsärzte und Psychologen durch Untersuchungen, Beratungsgespräche, Seminare oder Begehungen mit sehr vielen Mitarbeitern in Kontakt – über alle Hierarchieebenen und Funktionen hinweg. "Im Vertrauensverhältnis der Schweigepflicht erhalten wir tiefen Einblick in das, was im Unternehmen gerade los ist. Diese Erkenntnisse nutzen wir auch zur Weiterentwicklung unserer Angebote."

Um erfolgreich sein zu können, müsse das Konzept fest in den Unternehmensprozessen verankert sein: "Sehr wichtig ist, dass alle Elemente strategisch abgeleitet und miteinander verzahnt sind, integriert in das Betriebliche Gesundheitsmanagement und in die Personalentwicklung." Auch nach mehrfachen Auszeichnungen sei EnBW hier längst nicht am Ende. "Die Erde dreht sich weiter und die Herausforderung wächst, gute Lösungen für gesunde Arbeit in einer agilen Welt zu finden."

Informationen aus erster Hand gibt es dazu auf der Corporate Health Convention: Im Keynote-Vortrag "Gesunde Führung: Ein ausgezeichnetes Praxiskonzept für Arbeitsfreude und Unternehmenserfolg", gibt Annette Grötzinger am Mittwoch, 20. Mai, von 11.15 bis 12.00 Uhr Einblick in Instrumente, Erfolgsfaktoren und die strategische Weiterentwicklung.