Begabungen und Talente aller Jugendlichen stärken
In seiner Abschlussrede auf dem 6. BIBB-Berufsbildungskongress sagte Esser am Dienstag in Berlin: "Das BIBB wird in diesen Handlungsfeldern künftig einen stärkeren Beitrag leisten und mit seinen Forschungs- und Arbeitsergebnissen die Berufsbildungspolitik und die Berufsbildungspraxis noch intensiver beraten und unterstützen." Er würdigte den BIBB-Kongress als "Meilenstein", der positive Akzente gesetzt und wichtige Impulse für die weitere Entwicklung der beruflichen Bildung gegeben habe. Die Teilnahme von Bundespräsident Christian Wulff und Bundesbildungsministerin Annette Schavan zeige eindrucksvoll, welchen Stellenwert die berufliche Bildung in Deutschland habe.
Die Umsetzung des Deutschen Qualifikationsrahmens könne nur gelingen, wenn die Zuordnung der Qualifikationen zu den verschiedenen Niveaus in den unterschiedlichen Bereichen des Bildungssystems nach einheitlichen Kriterien und in miteinander abgestimmten Verfahren erfolge, erklärte der BIBB-Präsident. Mit Nachdruck sprach Esser sich dafür aus, das Abitur und die drei- beziehungsweise dreieinhalbjährigen Berufsabschlüsse auf der gleichen Niveaustufe zu verorten.
"Alle Akteure sind hier gut beraten, das bislang Erreichte nicht kurz vor der Zielgeraden infrage zu stellen." Jetzt sei die "Stunde der Wahrheit" gekommen, in der die Aussagen über die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung in konkretes Handeln überführt werden müssten.
Bei der Weiterentwicklung des dualen Ausbildungssystems sei künftig ein Weg erforderlich, der mehr Flexibilität ermögliche, die zunehmende Internationalisierung berücksichtige und sich verstärkt an den Kompetenzen der Menschen orientiere. Dies sei der Vielfalt der Ausbildungsberufe und den sich verändernden Ansprüchen der Lernenden und Lehrenden geschuldet. "Alle Berufsbilder sind in Zukunft kompetenzorientiert zu beschreiben, und die Konzepte müssen am spezifischen Bedarf der jeweiligen Branche passgenau ausgerichtet sein." Um dies sicherzustellen, sei die Schaffung von "Berufsfamilien" zwingend erforderlich, betonte der BIBB-Präsident.
Zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses und zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sei es zudem erforderlich, die Begabungen und Talente aller zu stärken und zu fördern. "Dies ist die Basis für die Zukunft Deutschlands." Die Bildungspolitik müsse unter dem Stichwort "Prävention statt Reparatur" künftig verstärkt ganzheitlich ausgerichtet werden und dafür Sorge tragen, dass die Ausbildungsreife junger Menschen verbessert, schwächere Jugendliche individuell gefördert, Jugendliche mit Migrationshintergrund besser integriert und auch Leistungsstärkere für die berufliche Bildung gewonnen werden. "Dadurch erhalten junge Menschen klare Optionen für die Planung und Ausgestaltung ihrer Lebensentwürfe und die Betriebe Handlungsspielräume vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung", sagte Esser.
Um die im europäischen Vergleich eher "mittelmäßige" Weiterbildungsbeteiligungsquote in Deutschland zu erhöhen, sei künftig eine stärkere Verzahnung von Aus- und Weiterbildung erforderlich, um Lernbrüche zu vermeiden. "Jeder Ausbildungsabschluss muss künftig auch der Einstieg in die berufliche Weiterbildung sein."
Der BIBB-Präsident forderte, die Anrechnungsmöglichkeiten beruflich erworbener Kompetenzen auf ein Hochschulstudium auszubauen und durch die Entwicklung entsprechender Konzepte die "Studierfähigkeit" beruflich Qualifizierter besser zu fördern. Letztendlich sei es auch erforderlich, mit Blick auf die demografische Entwicklung insbesondere die Weiterbildung älterer Menschen zu fördern.
Rund 1.200 Expertinnen und Experten der beruflichen Bildung trafen sich am 19. und 20. September aus Anlass des 6. BIBB-Berufsbildungskongresses in Berlin. Unter dem Motto "Kompetenzen entwickeln - Chancen eröffnen" diskutierten sie in fünf Foren und 21 Arbeitskreisen aktuelle Fragestellungen und Perspektiven der beruflichen Bildung aus nationalem und internationalem Blickwinkel.