Dialog erwünscht, Skepsis bei Mitsprache
Auch innerhalb der Wissenschaft verlagert sich Kommunikation zunehmend ins Internet. Und nicht nur das, einzelne Wissenschaftler diskutieren sehr aktiv in sozialen Netzwerken und Blogs mit einer breiten Öffentlichkeit über ihre Forschung. In der Kommunikationswissenschaft wird kontrovers über die Konsequenzen debattiert. Im Kern geht es um die Frage, ob die Grenze von öffentlicher und wissenschaftlicher Diskussion künftig verschwimmen wird. Einige Experten erwarten, dass immer mehr Forscher den direkten Austausch mit der interessierten Öffentlichkeit suchen. Laien bekämen größeren Einfluss auf die Wissensproduktion, der Wissenschaftsjournalismus würde als Bindeglied dagegen an Bedeutung verlieren.
Doch Hans Peter Peters dämpft allzu große Erwartungen. Der Kommunikationswissenschaftler vom Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM) stützt sich auf die Ergebnisse verschiedener Wissenschaftlerbefragungen zum Verhältnis von Wissenschaftlern, Journalisten und Öffentlichkeit. Er selbst hat in den vergangen zehn Jahren Antworten von rund 3.500 Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtungen, unter anderem aus Deutschland, USA, Großbritannien, Frankreich, Japan und Taiwan, ausgewertet. Berücksichtigt hat er außerdem weitere empirische Studien, etwa Befragungen im Auftrag der Wissenschaftlervereinigung AAAS (American Association for the Advancement of Science) oder der britischen Royal Society.
Die Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass sowohl ältere als auch jüngere Wissenschaftler mehrheitlich kein direktes Mitspracherecht von Laien in Forschungsfragen wünschen. Dennoch ist öffentliche Kommunikation unter Wissenschaftlern längst als notwendig und wichtig anerkannt. Der gängige Weg in die Öffentlichkeit führt aber immer noch vor allem über die journalistischen Medien. "Wissenschaftler verbinden Medienpräsenz mit einem hohen Nutzen: etwa Anerkennung und Aufmerksamkeit von Geldgebern, Organisationsleitung und Kooperationspartnern", betont Hans Peter Peters. Die Ergebnisse seiner Studien belegen, dass viele Wissenschaftler regelmäßig Kontakte zu Journalisten haben und diese überwiegend positiv bewerten – trotz kleinerer Fehler, die viele Forscher in der Berichterstattung bemängeln.
Trotz allem Nutzen ziehen Wissenschaftler aber eine klare Trennlinie: Bei der Wissensproduktion bleiben die Forscher lieber unter sich, denn dort gelten ihre Regeln, beispielsweise Genauigkeit, Nachvollziehbarkeit und unabhängige Prüfung. Fast die Hälfte der Naturwissenschaftler hält es für richtig, ein wissenschaftliches Ergebnis erst öffentlich bekannt zu machen, nachdem es in einer wissenschaftlichen Arbeit publiziert wurde. "Die Unterscheidung der Wissenschaftler in Dialog mit der Öffentlichkeit und Diskussion innerhalb der Wissenschaft ist die eigentliche Kluft in der Wissenschaftskommunikation", erklärt Peters. Bei Naturwissenschaftlern ist diese Trennung ausgeprägter als bei Geistes- und Sozialwissenschaftlern. Das zeigt sich etwa daran, dass Naturwissenschaftler im Schnitt deutlich seltener Kontakte mit Journalisten haben und sie ihr Wissen stärker als Spezialwissen betrachten. Außerdem greifen Medien öfter Themen auf, bei denen juristische, historische, sozialwissenschaftliche und philosophische Expertise gefragt ist, da solche Themen eher zum Erfahrungsbereich von Laien gehören.
Originalpublikation:
Hans Peter Peters. Gap between science and media revisited: Scientists as public communicators. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), 2013, doi: 10.1073/pnas.1212745110.