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Wie die Digitalisierung die Zukunft verändert

Berlin/Karlsruhe, Mai 2013 - Nach der Informationsgesellschaft kommt die Gigabit-Gesellschaft. In Zukunft werden noch größere Datenmengen in noch kürzerer Zeit übertragen und automatisch erzeugte Informationen aus mehreren Quellen werden intelligent miteinander vernetzt. Smarte Geräte verarbeiten die jeweils relevanten Informationen in Echtzeit und kombinieren diese nach Bedarf. Wie sich diese komplexen Innovationen auf unser tägliches Leben auswirken werden, beschreibt das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in sechs Anwendungsszenarien.

Diese zeigen die konkreten Veränderungen und notwendigen Voraussetzungen, damit sich die positiven Potenziale der Netzinnovationen voll entfalten können. Gestern stellten das Fraunhofer ISI und die Initiative D21 die drei wichtigsten Szenarien aus der Studie im Rahmen einer Veranstaltung in Berlin vor. Im Vordergrund der Studie "Szenarien für die Gigabit-Gesellschaft" steht das Zusammenspiel von gesellschaftlichen Entwicklungen und technischen Möglichkeiten. Die Szenarien zeigen, wie das Leben und Arbeiten in Zukunft aussehen könnte, sie weisen aber auch auf mögliche negative Entwicklungen hin.

"Der Fortschritt im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien in den vergangenen Jahren hat solch gravierende Veränderungen hervorgerufen, dass das oft verwendete Wort Revolution aus meiner Sicht hier absolut keine Übertreibung ist. Um diesen Wandel in Deutschland vom veränderten Umgang mit Informationen, vom Konsumenten zum Produzenten eigener Inhalte in Bahnen zu lenken, die für die gesellschaftliche Entwicklung nützlich und förderlich sind – dafür steht die Initiative D21 als neutrale und unabhängige Plattform", betont Dr. Hermann Rodler, Mitglied des Präsidiums der Initiative D21 und Sprecher der Geschäftsführung Nokia Siemens Networks Deutschland in seiner Begrüßung der rund 120 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Medien.

Dr. Bernd Beckert vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI stellte die Untersuchungsergebnisse "Szenarien für die Gigabit-Gesellschaft" vor. Unter der Moderation von Daniel Finger vom rbb folgte eine rege Diskussion der Panelteilnehmer Dr. Dr. Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur The European, Lars Klingbeil MdB, SPD-Bundestagsfraktion, Prof. Dr. Andreas Knie, Geschäftsführer Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel GmbH am WZB und Dr. Hermann Rodler, Mitglied des D21-Präsidiums und Sprecher der Geschäftsführung Nokia Siemens Networks.

Das erste Szenario mit dem Titel "Open Everything" basiert auf dem Trend der Öffnung und Enthierarchisierung. Hierzu gehören Open Innovation, Open Government, Open Education und Open Access. Diese Entwicklungen zeichnen sich dadurch aus, dass mit Hilfe netzbasierter Innovationen größere Transparenz und mehr Partizipation ermöglicht werden. Das "gläserne Rathaus" ist ein Beispiel für mehr Transparenz und mehr Beteiligungsmöglichkeiten am politischen Geschehen, da sich die Bürgerinnen und Bürger etwa über kommunale Vorhaben jederzeit umfassend mit Hilfe des Internet informieren können. Im Bereich der Wirtschaft beschreibt das Schlagwort "Open Innovation" das Umdenken weg von starren Hierarchien hin zu neuen und flexibleren Modellen des Ideen- und Innovationsmanagements − auch über Unternehmensgrenzen hinweg.

Im Szenario "Alles in Echtzeit" hat das Fraunhofer ISI das Prinzip: "Ich schau mal kurz im Internet nach" in die Zukunft verlängert. Überall verfügbare mobile Internetverbindungen in Kombination mit entsprechenden Geräten und Anwendungen sorgen in diesem Szenario nicht nur dafür, ad hoc Zugriff auf alle Informationen zu erhalten, sie ermöglichen auch eine neue Qualität der Alltagsorientierung. Beispielsweise ist in diesem Szenario Fernsehen auf Abruf Alltag geworden, weil es flächendeckend, mobil, ohne Aussetzer und in hoher Auflösung verfügbar ist. Cloud Computing, Videostreams, Videokonferenzen, Filme, Konzert- und Sportübertragungen sowie Spiele stehen ständig und on Demand zur Verfügung. Die Kombination von ortsspezifischen Informationen und persönlichen Daten der Nutzer ist eine weitere wichtige - wenngleich nicht unumstrittene - Komponente.

Im Szenario "Vernetzte Mobilität" hat sich das Mobilitätsverhalten der Menschen grundlegend geändert: Insbesondere in den Städten geht es nicht mehr um den Besitz eines Fahrzeugs, sondern darum, ressourcensparend und flexibel von A nach B zu kommen. In diesem Szenario setzen sich vernetzte Verkehrskonzepte flächendeckend durch. Zahlreiche Mobilstationen ermöglichen die spontane Nutzung verschiedener Verkehrsmittel je nach Bedarf. Stark befahrene Routen können vermieden und spontane Mitfahrgelegenheiten genutzt werden.

Diesen drei positiven Szenarien ist jeweils auch ein negatives Pendant gegenübergestellt. So können beispielsweise die Transparenz- und Beteiligungstrends, die die Grundlage für das "Open Everything"-Szenario bilden, in Zukunft auch an Kraft verlieren oder sich gar in ihr Gegenteil verkehren. Das Resultat wäre ein Szenario, in dem die gesellschaftlichen Erwartungen der Teilhabe und Mitgestaltung enttäuscht werden und der Eindruck überwiegt, dass sich trotz der vielen Beteiligungsplattformen und Kommunikationsangebote doch nichts ändert. Der Anspruch der Menschen, jederzeit auf die gewünschten Informationen zugreifen zu können, kann ebenso enttäuscht werden. Dann nämlich, wenn die Digitalisierung der Inhalte ins Stocken gerät, die Verknüpfung der Daten nicht funktioniert, oder die Netze mit Überlast zu kämpfen haben und nicht überall und jederzeit verfügbar sind.

Für Dr. Bernd Beckert, den Leiter der Studie, ist die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von Breitbandnetzen im Festnetz- und Mobilfunkbereich, die zentrale Voraussetzung für die Realisierung aller Positivszenarien: "Fehlt es an den Netzen, drehen viele unserer Szenarien ganz schnell in den negativen Bereich, ein klares Zeichen für das überragende Gewicht des Faktors 'Netzinfrastruktur'. Hier sind die Netzbetreiber, aber auch der Staat als Rahmensetzer für Wettbewerb und Investitionen in der Pflicht, die Übertragungskapazität des Internets mit geeigneten Maßnahmen zu sichern beziehungsweise auszubauen."