Zehnjährige produzieren ein iBook
Dirk Küpper: Zunächst einmal bin ich, seit es das iPad gibt, davon überzeugt, dass es in Kinder- und Lehrerhände gehört. Dann konnte ich den HERDT-Verlag für Bildungsmedien GmbH als Kooperationspartner gewinnen. Vor allem aber gibt es noch die nordrhein-westfälische Initiative "Medienkompass NRW", die ab dem Schuljahr 2012/2013 Kindern verschiedenste Kompetenzen beim Umgang mit modernen Medien vermitteln will. Wir haben von der Pilotphase profitiert, denn dabei wurden zehn Grundschulen in Düsseldorf mit elf beziehungsweise 22 iPads, Apple Servern und MacBooks ausgestattet.
Sie entwickeln Apple Online-Schulungsvideos für erwachsene User. Was haben Sie im Umgang mit den Kindern selbst gelernt?
Dirk Küpper: Ich bin seit 2007 auch als Medienexperte in der Ganztagsbetreuung an Grundschulen tätig. Kinder sind sehr zielgerichtet. Was sie nicht für wichtig halten, lassen sie erst einmal weg. Besonders an diesen Projekt war, dass es von Kindern für Kinder gemacht wurde. So haben sie für das Glossar zur Aufgabe bekommen, wichtige Fachtermini zu recherchieren. Diese Erkenntnisse wiederum haben sie in ihre eigene Sprache gebracht und auch selbst vertont.
Sie haben mit Grundschulkindern gearbeitet. Was wissen die denn über das Internet?
Dirk Küpper: Sie interessieren sich derzeit am meisten für drei Dinge: Facebook, Youtube und chatten. Als vierten wichtigen Begriff nennen sie Google. Ja, und Spiele stehen natürlich über allem.
Und durften die Kinder denn auch spielen?
Dirk Küpper: Nein, Ich habe gesagt: "Gespielt wird im Kindergarten. Wir sind hier in der Schule." Aber das hat der Begeisterung keinen Abbruch getan. Die Kinder sind ein halbes Jahr am Ball geblieben und haben immer von mir gestellte Aufgaben bearbeitet.
Was macht das so entstande iBook-Lehrbuch aus Ihrer Sicht besonders?
Dirk Küpper: Dass es interaktiv ist und multimedial. Wir haben die Frage "Was sind Browsertabs?" mit Hilfe eines Screencasts verfilmt und ins iBook eingebunden. Weiterer Bestandteil sind Lernkarten, die sich die Schüler individuell erstellen können. Dort lassen sich markierte, besonders wichtige Textpassagen hinterlegen. Für ein interaktives Quiz wurden von der Klasse die richtigen, aber auch falsche Antworten überlegt. Die Kinder haben sogar eine Präsentation zum Thema "Wie entstand das Internet?" erstellt.
Bei Präsentation denkt man sofort an Powerpoint...
Dirk Küpper: Das Pendant für das iPad/Mac heißt Keynote. Mit dieser Anwendung lassen sich ziemlich unkompliziert Texte, Bilder und Filme zusammenmontieren. Die Kinder brauchen nur einen kleinen Schubs und schon legen sie auch mit einem solchen Programm begeistert los. Nach Fertigstellung konnten sie das fertige Produkt auf der großen Leinwand sehen und selber präsentieren. Kindersuchmaschinen nutzen, Grafiken erstellen, Verlinkungen vornehmen, das Programm war durchaus anspruchsvoll. Außerdem ging es um so wichtige Themen wie Internetsicherheit. Da hieß es, das Internet-ABC auf den MacBooks durchzuarbeiten: Alle Kinder haben den Surfschein bestanden.
Was glauben Sie denn, was die Kinder gelernt haben, neben der neu gewonnen Medienkompetenz und der Herstellung des iBooks?
Dirk Küpper: Teamwork, Durchhaltevermögen, fleißig sein. Denn obwohl wir ein halbes Jahr jede Woche daran gearbeitet haben, mussten auch Hausaufgaben gemacht werden. Mit gefällt auch, wie sie sich fokussiert haben. So ist eine schlanke, übersichtliche Version entstanden, die nicht nur die Inhalte des Printbuches abbildet, sondern sehr anschauliche Erklärungen liefert. Orientiert habe ich mich bei den Inhalten übrigens an den Vorgaben des neu entwickelten Kompetenzrahmens. Demnächst soll dieses neuartige Schulbuch übrigens auch über den iTunes Store verfügbar sein. Fünf Schulleitungen haben mir gegenüber signalisiert, dass sie das iBook kaufen wollen. Zwei wollten sogar iPad-Klassen einrichten.
Glauben Sie, dass es bei dieser Einmal-Initiative auf Verlagsseite bleiben wird? Oder sehen Sie noch weitere Chancen, Lehrmaterialien aufs iPad zu bringen?
Dirk Küpper: Ich kann mir sehr viele Anwendungsmöglichkeiten vorstellen. Klar, Naturwissenschaften zum Beispiel. Aber auch Geschichte. Dieses Fach habe nicht nur ich als trocken in Erinnerung. Aber wenn es um den Sonnenkönig geht und dass er auf dem Schafott geendet ist - wenn man das mit einer Filmsequenz anreichern könnte - wäre das Interesse an historischen Themen gleich viel größer.
Andererseits ist es teuer, Wissen multimedial aufzubereiten. Und ein iPad ist auch nicht so richtig billig...
Dirk Küpper: Ein iPad kostet in der Anschaffung die Hälfte von einem PC. Es müsste nur im großen Stil umgedacht werden. Schulbücher werden in NRW jahrelang gebraucht und von Klasse zu Klasse weitergegeben. Ein Schulbuch als iBook ließe sich öfter neu verkaufen. Das stelle ich mir nicht uninteressant für die Verlage vor. Und was die Anschaffungskosten für das iPad betrifft: Schon Grundschüler haben MP3-Player, vielleicht sogar einen iPod, sie besitzen Spielekonsolen und irgendwann bekommen Kinder ja auch einen eigenen Rechner. Da addieren sich eine Menge Ausgaben. Ein iPad aber würde viele Bedürfnisse abdecken. Und cool ist es auch noch.