Hohe Flexibilität versus fehlende Unmittelbarkeit? | CHECK.point eLearning
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Hohe Flexibilität versus fehlende Unmittelbarkeit?

Berlin, August 2012 - "Das Verblüffende, Fruchtbare und Gute am Coachen war, dass durch die Fragen, die vom Coach gestellt wurden, ich selbst auf neue und verborgene Dinge kam.", stellt Anne L. fest, die sich bei "Frauen coachen Frauen" einem Bewerbungscoaching stellte. Von Existenzgründung über Karriereberatung bis Führungskräfte-Coaching bieten Andrea Juchem-Fiedler und Daniela Sauermann ein breites Coaching Repertoire an. Wann und wie sie dabei auch Online-Coaching einsetzen reflektiert Daniela Sauermann im Interview mit CHECK.point eLearning.



Worin unterscheidet sich der Online-Coaching-Prozess von einem Präsenz-Coaching? Welche Erfahrungen haben Sie damit gesammelt?

Daniela Sauermann: Coaching zeichnet sich grundsätzlich durch einen persönlichen Kontakt zwischen Coach und Klient aus. Beim Präsenzcoaching befinden sich die Beteiligten zur gleichen Zeit im gleichen Raum. Bei diesem so genannten face-to-face Kontakt komunizieren und interagieren Coach und Coachee mit- und untereinander unter potenziellem Einsatz aller Sinnesmodalitäten. Durch die zunehmende Verbreitung und Verfügbarkeit moderner Kommunikations- und Kooperationstechnologien sind neue Austauschprozesse und neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Coach und Klient möglich, dass so genannte Online-Coaching, bei dem die Beteiligten sich eben nicht mehr in einem Raum zur gleichen Zeit befinden.


In der aktuellen Online-Coaching-Diskussion wird die fehlende Unmittelbarkeit zwischen Coach und Coachee beklagt, wenn bspw. per Email oder virtuellem Klassenraum gecoacht wird. Ich kann die vermeintlich fehlende Unmittelbarkeit aus meiner Erfahrung heraus nicht bestätigen. Zu den Kundinnen und Kunden, die ich online unterstützt habe, bestand ein sehr intensiver Kontakt beim Coaching mit dem Virtuellem Klassenzimmer (VC), bei dem sich Coach und Coachee zeitgleich sowohl sehen (Webcam) als auch hören (Headset) und miteinander arbeiten können (Whiteboard).


Beim eMail-Coaching erhalte ich oft als Feedback von den KundenInnen, dass sie es sehr genossen haben, auf meine Mails antworten zu können, wann sie es für sich selbst als gut und passend empfunden haben. Diese Form der asynchronen Kommunikation bietet eine hohe zeitliche Flexibilität und die Ungebundenheit von bestimmten Orten, da z.B. keine Termine abgestimmt werden müssen und auch der Weg zum Coach entfällt. Insbesondere für Kunden, die sich im Ausland aufhalten und dennoch Unterstützung für ihre Belange suchen, bietet das Online-Coaching einen großen Zugewinn. Der persönliche Kontakt, ein Beziehungsaufbau, ist bei beiden Formen - sowohl per eMail - als auch über das virtuelle Klassenzimmer - möglich.


Sicherlich kann ich manche Methoden, die ich im Präsenzcoaching - Prozess einsetze, nicht ins Online-Coaching übertragen. Dennoch ist für mich in der Arbeit mit dem Coachee immer das individuelle Anliegen vorherrschend und wenn ich eine Methode im Online-Coaching nicht anwenden kann, dann muss ich in der Lage sein, meine Fragen so gut zu stellen und zu formulieren, dass auch hier der Prozess weitergeht.


Auch im Präsenz-Coaching heißt es ja nicht, dass es Anliegen xyz gibt und daraufhin wende ich Methode xyz an und schon ist die Lösung aller Probleme geboren. Ähnlich muss ich auch im Online-Coaching sensibel mit den Schilderungen, Äußerungen, die Form, wie etwas formuliert wurde, sein und entsprechend reagieren.

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um im Online-Coaching zu erfolgreichen Ergebnissen zu kommen?

Daniela Sauermann: Auf Seiten des Coachees müssen keine Voraussetzungen gegeben sein, um ein Online-Coaching in Anspruch zu nehmen. Dass die KundIn Zugang zu einem internetfähigen Computer hat, setze ich dabei voraus. Und - wer sich nicht vorstellen kann, sich online Unterstützung geben zu lassen, der wird es auch kaum in die Tat umsetzen. Wer es sich hingegen vorstellen kann, der informiert sich über diese Form des Coaching bei einem Coach, der das Online- Coaching anbietet.


Der Online-Coach hingegen sollte meines Erachtens neben den Anforderungen, über die ein Coach selbstverständlich verfügen sollte wie beispielsweise fundiertes Fachwissen aus den Bereichen Psychologie und Betriebswirtschaft ebenso wie zahlreiche persönliche Kompetenzen wie Selbst- und Lebenserfahrung weitere Kompetenzen mitbringen:

  • Medienkompetenz, das heißt in diesem Fall Wissen über das jeweilige mediale Kommunikationswerkzeug und dessen sachgerechte Handhabung (z.B. virtual classroom) sowie damit einhergehend die so genannte semantische Kompetenz, die sich auf das Wissen über Gestaltung und Ausdrucksmöglichkeiten einzelner Medien bezieht.
  • Didaktisch-methodische Kompetenzen, das heißt, immer dann, wenn ein Online-Coach mit einer Lernplattform arbeitet, sollte er auch in der Lage sein, diese Lernumgebung gestalten zu können.

Und natürlich sollte der Online-Coach generell Wissen über die internetbasierte Kommunikation haben. Beim eMail-Coaching sollte sich der Online-Coach nicht nur bewusst sein, sonder zudem in der Lage sein, die schriftliche Kommunikation präzise zu führen und zu (hinter-)fragen, was ihm der Coachee mit dem Senden der Nachricht mitteilen wollte. Ebenso sollte der Online-Coach mit denen im Netz bestehenden Kommunikationsregeln vertraut sein, um Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen ("Nettiquette").

Gibt es Themen, die sich besonders gut für ein Online-Coaching eignen?

Daniela Sauermann: Im Prinzip gibt es aus meiner Sicht nur wenige Einschränkungen in der Themenauswahl. Man denke nur an die Online-Beratungsangebote im psychosozialen Bereich, die sich meines Erachtens bereits durchgesetzt haben. Ich selbst habe bislang hauptsächlich in beruflichen Belangen Online-Coaching durchgeführt, d.h. Bewerbungstraining, Vorbereitung auf Gehaltsforderungen oder Jahresgespräche allgemein, Arbeitsplatzwechsel, Wiedereinstieg.


Das sind Themen, die direkt auf die KundIn zugeschnitten bearbeitet werden können. Bei Themen wie Präsentationstechniken oder Ausdruckscoaching, Imagecoaching, Eigen-PR etc. würde ich ein face-to-face Coaching bevorzugen, da ich mir hier gern selbst ein Bild über die Art und Weise des "Wie" bei meinen Klienten mache, um dann direkt und sofort in die Hilfestellung und das Ausprobieren zu gehen.

Welche Medien setzen Sie im Online-Coaching-Prozess bevorzugt ein?

Daniela Sauermann: Wie es bereits angeklungen ist, arbeite ich mit dem Virtuellen Klassenzimmer und mit eMail-Coaching. Wenn das Telefon-Coaching auch zu den Online Formen zählt (insbesondere über skype), dann gehört das auch zu meinem Repertoire. Wenn ich noch kurz etwas zu den Erfahrungen zu den eingesetzten Medien sagen darf, dann ist die Tendenz zur Zeit, dass sich die Kunden bei der Wahl zwischen den Medien für das eMail-Coaching entscheiden. Jene, die sich für das VC entscheiden, sind wiederum ganz begeistert von der Unmittelbarkeit. So vermute ich, dass sich viele für das eMail-Coaching entscheiden, da sie sich - trotz ausführlicher Erklärung und des Angebots einer kostenlosen Einführung in dieses Medium - das VC nicht zutrauen, es ihnen zu "technisch" oder einfach zu fremd ist, - nicht vorstellbar eben.

Über welchen Zeitraum erstrecken sich Ihre Online-Coachings üblicherweise?

Daniela Sauermann: Das ist wie beim Face-to-Face-Coaching völlig unterschiedlich. Es gibt Kunden, die einmal ein virtuelles Coaching für ihr Bewerbungsschreiben in Anspruch genommen haben und dann glücklich und zufrieden sind und wenn überhaupt, sich dann wieder bei einem anderen Anliegen Unterstützung holen. Andererseits gibt es Kunden, mit denen vereinbare ich, dass wir zweimal die Woche per eMail in Kontakt stehen. Ich richte mich da weitgehend nach den Bedürfnissen der Klienten und ihrem Anliegen.