"eLearning ist der große Strom" | CHECK.point eLearning
Perspektive

"eLearning ist der große Strom"

Paris, Dezember 2003 - Als europäisch fokussierter Vertreter eines Großkonzerns bezüglich der Entwicklung des eLearning nimmt Dr. Richard Straub, Director of E-Learning Solutions IBM EMEA und Präsident der eLIG (E-Learning Industry Group) an einer Podiumsdiskussion teil, die im Rahmen der ONLINE EDUCA klären soll, ob eLearning nun als Kostensenker oder Innovationstreiber zu sehen ist. Im Gespräch mit CHECKpoint-eLearning erläutert er vorab seine Position.

eLearning - Kostenersparnis oder Innovationsschub? Gibt es eine klare Antwort?

Dr. Richard Straub: eLearning steht heute an einem Übergang. Zu Beginn standen Kostenreduktion und Effizienz als Maßzahl im Vordergrund, die vielfach verwendet wurde. Doch wie bei so vielen Dingen, die mit "E" beginnen, geht es dabei um etwas anderes. Es geht darum die Chance zu nutzen, Prozesse zu verbessern, sie auf neue Art zu gestalten. Im eLearning geht es auf breiter Basis heute um die neue Dimension der Entwicklung von Kompetenz. Dieser Ansatz ist wichtig, wenn man über die Wissensgesellschaft spricht. eLearning bedeutete zu Anfang: traditionelles Lernen mit neuer Technologie. Doch es hat sich weiter entwickelt, wobei mehre Strömungen zusammenfließen. Man spricht nun verstärkt über informelles Lernen; über Lernen, wenn es aktuell gebraucht wird, über Collaboration-Tools für Teams, über Communities. eLearning ist der große Strom, in den viel hinfließt, was früher in getrennten Disziplinen stattfand. Die Technologie erfordert dies und ermöglicht es gleichzeitig.

Worin besteht der maßgebliche Unterschied zwischen der Situation der Großkonzerne und der KMUs in Bezug auf die Möglichkeiten von eLearning?

Dr. Richard Straub: Dies ist eines der Gebiete, auf dem niemand alle Antworten hat. Die Konzerne haben die Pionierarbeit übernommen, große Investitionen getätigt, Infrastruktur aufgebaut, wofür jeweils eine kritische Masse erforderlich ist. Diese Erfahrungen sind allerdings in vollem Umfang auf KMUs übertragbar. Innerhalb der eLIG wird dieses Thema quer durch die Regionen in Europa diskutiert, um maßgebliche Erfolgskriterien zu identifizieren. Die eLIG arbeitet hier - gemeinsam mit der EU - an den erforderlichen Definition und trägt die bisher vereinzelten Einschätzungen zusammen.
Aus Sicht der IBM kann ich hierzu sagen: die KMUs sind immens wichtig. Wir glauben, dass die Technologie auch für KMUs eine Vielzahl von Chancen birgt und wir diese neuen Möglichkeiten nutzen müssen. Im Bereich "on demand" sollen Unternehmen beispielsweise Zugang zu Ressourcen erhalten, die sie nicht selbst im Unternehmen aufbauen müssen. Ein branchenweises Vorgehen wäre dabei vorstellbar. Denn das erste Problem für die Verbreitung von eLearning in KMUs bildet die Infrastruktur, das zweite, die relevanten Inhalte. Gleichzeitig geht es auch hier vor allem um die Kostenfrage und das Erreichen der kritischen Masse.

Welche Arbeitsergebnisse aus den Reihen der eLIG liegen eineinhalb Jahre nach ihrer Gründung heute vor?

Dr. Richard Straub: Zur eLIG zählen Technologie-Unternehmen, Verlagshäuser, Softwareunternehmen, Telkos, Unternehmen, die das Ökosystem dieses Marktes abbilden. Gemeinsam haben wir in der ersten Phase unserer Arbeit Empfehlungen für EU-Mitgliedsländer und die Europäische Kommission abgegeben, Stellungnahmen erarbeitet, ein Policy-Paper entwickelt und Grundlagen für große Projekte im Bereich Public-Private-Partnership (PPP) gelegt. Wir arbeiten an einigen großen eLearning-Themen, um ihre Industriekonsensfähigkeit vorzubereiten wie z.B. Infrastrukturthemen, die häufig unterschätzt werden, Standards - aus pragmatischer Sicht -, Architekturen - und natürlich am Thema Inhalte. In letzter Konsequenz geht es Investitionsschutz und Nachhaltigkeit. Auf der jüngsten Jahresversammlung der eLIG beschlossen die Verlagshäuser etwa hierbei gemeinsam eine aktivere Rolle wahrzunehmen. Noch in diesem Jahr sollen eine Reihe von White-Papers publiziert werden, die die Einschätzungen und Empfehlungen von eLIG zu wichtigen Themen darlegen werden so etwa zu den Themen Infrastruktur, Standards, Lerninhalte und Lehrerfortbildung. Als übergreifendes Konzept hat eLIG die Idee der "eLearning City" entwickelt, die einen konkreten geografischen Rahmen für die Umsetzung von umfassenden Lernkonzepten darstellt.