Der "MotionComposer": Bewegung in Musik verwandeln
Josepha Dietz: Dies ist Robert Wechsler zu verdanken. Er ist Tänzer und Choreograph und hat schon früh an der Schnittstelle zwischen Computer und Tanz gearbeitet. Er hat interaktive Musikstücke produziert und beispielsweise Videobilder in Tanzperformances eingebaut. Wechsler ist gebürtiger Amerikaner, er hat in England das erste Magisterprogramm in "Digital Performance" geleitet. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich mit der Frage, wie dieser Ansatz helfen kann, mit behinderten Menschen zu arbeiten.
Und welche Rolle spielt die Bauhaus-Universität dabei?
Josepha Dietz: Wir haben eine große Medienfakultät hier. In dem MotionComposer steckt viel moderne Technik. Zu unserem Gründungsteam gehören auch ein Interaktionsdesigner und ein Physiker. Jetzt haben wir ein Stipendium beantragt und treiben unsere Produktidee weiter voran. In diesem Sommer gründen wir dann unsere eigene Firma, die MotionComposer heißt.
Gibt es bereits erste positive Erfahrungen und Ergebnisse?
Josepha Dietz: Ja, absolut. Wir setzen den MotionComposer regelmäßig bei der Lebenshilfe in Apolda ein. In Dresden haben wir einen einwöchigen Workshop mit behinderten Kindern gemacht. Die Teilnehmer bisher hatten zum Teil geistige Behinderungen, andere waren körperlich sehr eingeschränkt und saßen im Rollstuhl. Einer war fast blind. Das Wunderbare ist, dass sie sehr begeistert auf diese neue Möglichkeit, sich barrierefrei auszudrücken, reagieren. Auch Therapeuten und Eltern sind angetan. Alle wünschen sich eine Fortsetzung der Arbeit.
Wegen der guten psychologischen Effekte oder weil Bewegungstherapie dadurch bessere Ergebnisse zeigt?
Josepha Dietz: Es geht um beides. Der Einsatz des Motion Composers macht Spaß. Er motiviert zur Bewegung, stärkt das Selbstvertrauen und fördert die Entwicklung eines realistisches Körperbildes. Man darf nicht vergessen, dass manche Teilnehmer nur sehr eingeschränkt in der Lage sind zu kommunizieren. Durch den MotionComposer erfahren sie die Möglichkeit, selbst etwas anzustoßen, sich auszudrücken - denn durch ihre Bewegungen werden Töne erzeugt.
Wie funktioniert das? Und was genau ist zu hören?
Josepha Dietz: Die Technologie ist in einer Art Box versteckt, aus der oben eine leistungsstarke Videokamera ragt. In der aktuellen Version ist an diese Box ein Laptop angeschlossen, außerdem Boxen. Die Kamera wird ausgerichtet und nimmt alle Bewegungen auf, bis hin zu einem Fingerzeig oder Wimpernschlag. Jegliche Bewegungsveränderung wird an eine spezielle Software weitergeleitet. Diese wiederum spiegelt die Bewegung als Klang wider. Das kann Musik sein, aber auch Trommeln, Klavierakkorde oder Vogelstimmen.
Gibt es auch ungeeignete Musikstücke oder Töne, die man lieber vermeiden sollte?
Josepha Dietz: Man kann nicht x-beliebige Musik nehmen. Denn je nachdem, welche Bewegungen der Auslöser sind, sollte ja auch das Ergebnis angenehm klingen. Darum sind wir auch in Kontakt mit Komponisten, die zu diesem Thema arbeiten wollen. Im April werden wir einen Workshop mit internationaler Beteiligung abhalten, zu dem Komponisten aus Spanien, den USA, Norwegen und England anreisen.
Und was ist außerdem Voraussetzung, um mit dieser Technologie wirkungsvoll zu arbeiten?
Josepha Dietz: Die Kamera muss sehr gut sein und der Computer sehr schnell. Es dürfen kaum Verzögerungen passieren zwischen Bewegung und Ausgabe des Tons. Wäre dies so, würde der behinderte Mensch nicht erkennen, dass er selbst den Klang ausgelöst hat.
Wie teuer ist denn das System?
Josepha Dietz: Derzeit mit allen Bestandteilen 5.000 Euro. Es soll so einfach zu handhaben sein, dass es völlig unproblematisch von Therapeuten eingesetzt werden kann. Oder auch von Eltern, die den MotionComposer für ihr Kind anschaffen wollen. Derzeit suchen wir nach Investoren, aber es gibt auch schon erste Testkunden. Eine Förderschule in Dresden hat zwei Einheiten bestellt.
Und für welche Zielgruppen wäre der MotionComposer ebenfalls geeignet?
Josepha Dietz: Im nächsten Schritt wollen wir ausprobieren mit Demenzkranken zu arbeiten. Dies ist eine Patientengruppe, die nicht einfach zu erreichen ist. Aber auch bei Aphasie, Autismus, Blindheit oder Parkinson beispielsweise hoffen wir positive Effekte zu erzielen.