Qualitätsentwicklung als unabdingbare Notwendigkeit
Können Sie kurz erläutern, was man aktuell unter Qualitätsentwicklung im eLearning verstehen darf und wo sie derzeit steht?
Dr. Ulf-Daniel Ehlers: Der Workshop, den wir auf der LEARNTEC 2007 durchführen (Qualität 2.0) hat u.a. zum Ziel, uns genau darüber auszutauschen. Es geht darum mit einer
innovativen und interaktiven Methode, dem "Learning Café" interaktiv mit den Teilnehmern zu diskutieren was eigentlich Web 2.0 für die Qualitätsentwicklung bedeutet. "Qualität 2.0" stellt dabei den Lernenden in den Mittelpunkt und fragt: wie können moderne Qualitätssysteme und Strategien seine/ihre Beteiligung sicherstellen?
Qualitätsentwicklung ist eine unabdingbare Notwendigkeit. Gerade aktuell können wir in allen Bildungsbereich beobachten, dass die Ausgaben für Bildung immer mehr an ein bestimmte Qualität gekoppelt werden - die gewissermaßen als versprechen und Absicherung funktioniert, dass diese Investitionen sich auch lohnen. Zertifizierungen - also nachgewiesene Qualität - werden immer wichtiger. Dabei ist eine inhaltliche Qualität
leichter zu zertifizieren als die erworbene Kompetenz eines Lernenden.
Im Hochschulbereich ist die Debatte um die Qualität durch die Europäisierung stärker entfacht denn je. Hier wird diese Frage insbesondere als Akkreditierung diskutiert. Da eLearning hier zunehmend ein normaler Bestandteil des Lehrangebotes ist, steht es im Fokus. Im Schulbereich und in der Berufsbildung sehen wir ebenfalls, dass das Qualitätsbewusstsein beim Einsatz von elearning steigt. ELearning hat seinen initialen Experimentier-Charme verloren, ist den Kinderschuhen entwachsen und muss sich heute kritische Fragen stellen: Welchen Beitrag leistet eLearning zur Lösung eines Bildungsproblems?
Auf einer anderen Ebene hat sich die Frage nach der Qualität im eLearning allerdings nicht geändert. Vor sechs Jahren habe ich zu einem ähnlichen Thema ein Interview gegeben. Damals sagte ich: "Qualität ist, wenn's klappt! - und damit fangen die Probleme an. Denn: Wie funktioniert gutes Lernen
eigentlich? Es geht dabei um "Eignung", also darum, ob ein Lernarrangement geeignet ist, einen Zuwachs an Handlungskompetenz beim Lernenden zu unterstützen."
Dies gilt auch heute noch. Dabei ist Bildungsqualität, Lehr-
oder Lernqualität nichts absolutes. Im Bildungsbereich ist der Lernende gewissermaßen ein Ko-Produzent seines eigenen "Bildungsproduktes". Er wirkt aktiv an der Erstellung seines "Bildungserfolges" mit. Qualität ist demnach also erstens abhängig von diesen "Lernerfaktoren" und ist zweitens nicht im vorhinein zu bestimmen, sondern "passiert" erst dann, wenn ein Lernender lernt.
Aus dieser eher "lernbezogenen" Sichtweise ist Qualitätsentwicklung also immer noch mit den gleichen Mühen verbunden. Diese Auffassung steht natürlich in einem Spannungsverhältnis zu der Forderung Bildungsangebote zu zertifizieren.
Welchen Anteil hat Qualitätsentwicklung heute tatsächlich
am Erfolg von Lernszenarien im eLearning?
Dr. Ulf-Daniel Ehlers: Das ist in der Tat eine ganz wichtige Frage. Denn es ist heutzutage keinesfalls selbstverständlich, dass Qualität immer in Bezug zum Lernerfolg
gesehen wird. Auch das Marketing spielt im Corporate Bereich eine große Rolle. Übereinstimmung mit vorgegebenen Bildungs- oder Lerntechnologiestandards ist ein anderer wichtiger Bereich. Wir verstehen darunter allerdings die Gesamtheit aller Maßnahmen, die bewusst oder unbewusst unternommen werden, um den Lernerfolg beim eLearning zu steigern.
Ich bin überzeugt, das jeder Bildungsprozess implizit immer einer bestimmten Auffassung davon folgt, was gute Qualität beim Lernen ist. Es gilt, diese herauszustellen, zu reflektieren und kontinuierlich auf ihre Eignung hin zu
überprüfen. Viele Bildungsverantwortlichen, die dieses immer wieder tun, haben meine Hochachtung.
Welche Rolle spielt die European Foundation for Quality in
eLearning dabei auf deutscher und welche auf europäischer Ebene?
Dr. Ulf-Daniel Ehlers: Die European Foundation for Quality in eLearning ist die Initiative, in der wir allen Experten
auf nationaler und auch auf europäischer Ebene eine Möglichkeit bieten, zu den verschiedenen Fragen um die Qualität eine Diskussion anzufangen und zu führen. Die Meinungen und Ergebnisse dieser Diskussion bündeln wir und
kommunizieren sie dann an geeignete Stellen, bspw. über Policy-Paper an die europäische Kommission, oder über Publikationen an die allgemeine Fachöffentlichkeit.
Wir haben den Eindruck, dass eine solche Initiative
gefehlt hat, denn das Interesse ist groß und bereits in den ersten 18 Monaten haben sich über 50 Organisation dazu entschlossen, bei der Foundation Mitglied zu werden und unmittelbar in die Debatte einzusteigen. Zusammen mit
allen unseren Mitgliedern haben wir uns jetzt übrigens entschlossen, auch ein Qualitätssiegel für eLearning zu entwickeln. Es wird voraussichtlich 2008 das erste Mal verfügbar sein.
Einen ersten Schritt in diese Richtung machen wir aber jetzt schon, mit dem European eQuality Award, einen Preis, den wir
für hervorragende Leistungen bei der Nutzung von Kommunikationstechnologien für die Qualitätssicherung vergeben. Die Unterlagen zur Teilnahme sind im Internet verfügbar.
Auf welchen Wegen finden diese Qualitätsmaßstäbe ihren Weg
in die Wirtschaft und damit in die Praxis?
Dr. Ulf-Daniel Ehlers: Die Wirtschaft lässt sich nichts vorschreiben. Es hat sich gezeigt, dass es Sinn macht, die Wirtschaft bei der Entwicklung von Qualitätssiegeln zu
beteiligen, um die Akzeptanz der neuen Ansätze und Methoden zu steigern. In der European Foundation sind wir daher froh, dass die ELIG, die European eLearning Industry Group, ein starker Kooperationspartner ist, der ein großes Interesse mit einbringt und viel kompetente Mitarbeit leistet.
Was hat der Endanwender davon?
Dr. Ulf-Daniel Ehlers: Letztlich beruht Qualität auf einem Konsens, der zwischen allen Beteiligten hergestellt werden muss. Ein Bildungsabschluss oder ein bestimmter
Kompetenzstandard wird dann wertvoll, wenn er von möglichst vielen Organisationen als hochwertig anerkannt ist. Diesen Konsens auf nationaler und europäischer Ebene zu erzielen, ist ein Ziel der European Foundation.
Wir arbeiten damit direkt für den Endanwender. Darüber hinaus steht der Lernende als eine feste Größe bei allen Diskussionen im Mittelpunkt. Wir möchten damit sicherstellen, dass wir den wichtigsten Akteur im Bildungsgeschehen nicht - wie so oft geschehen - vergessen.