Professoren sind keine Verkäufer
In der grundständigen Lehre können weder Preise für die Lehrangebote (z.B. Studiengebühr) frei bestimmt werden, noch orientiert sich das Angebot an der Nachfrage, und Studierende als "Kunden" wurden bis vor kurzem noch von der ZVS den Hochschulen zugewiesen. Auch für erfolgreiche Verkaufsstrategien erforderliche Strukturen für Marketing und Management sind häufig nicht vorhanden, und es mangelt an Geld beispielsweise für Werbebudgets. Prof. Uwe Hoppe, Multimediabeauftragter und wissenschaftlicher Vorstand des Medienzentrums virtuos an der Universität Osnabrück, erläutert die Chancen und Herausforderungen der Verwertung von Lehrinhalten.
Herr Prof. Hoppe, technisch ist es heute schon relativ einfach, aus den universitären Lehrveranstaltungen eLearning-Anwendungen zu generieren. Warum nutzen Universitäten die Chance der externen Verwertung bisher nur mäßig?
Prof. Uwe Hoppe:Zur Zeit haben die Universitäten andere Prioritäten. Der Bologna-Prozess zwingt uns zu Neustrukturierungen aller Studiengänge, um den neuen Anforderungen mit Abschlüssen wie Bachelor und Master gerecht zu werden. Die Studiengänge müssen komplett neu strukturiert und akkreditiert werden. Dieser Prozess hat in meinem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften ca. 18 Monate gekostet - und das war vergleichsweise schnell.
Für die in Deutschland nun entstehenden, bis dato weitgehend unbekannten PhD-Programme nach anglo-amerikanischem Vorbild mussten komplett neue Strukturen gefunden werden. Im Gegensatz zu vorher müssen Doktoranden nun eine weitere strukturierte Ausbildungsphase durchlaufen.
Dazu kommt die sogenannte Exzellenzinitiative. Dafür haben viele Universitäten Konzepte entwickelt und Anträge ausgefüllt, auch die Universität Osnabrück hat selbstverständlich daran teilgenommen. Das hat auch viel Zeit gekostet, und viele Anträge waren nicht erfolgreich.
Aber eLearning ist nicht erst seit zwei Jahren ein Thema?
Prof. Uwe Hoppe: Natürlich beschäftigen wir uns nicht erst seit gestern mit dem Thema der Verwertung von Lehrmaterialien für die Weiterbildung. Und eLearning ist da ein zentrales Instrument, um dies zu befördern. Aus dem universitären Umfeld kommt allerdings nur eine begrenzte Auswahl von Inhalten für eine Vermarktung in Frage. Da denke ich beispielsweise an die Bereiche Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Ingenieurswissenschaften.
Dann stellt sich die Frage der Anreize. Professoren müssen geeignete Materialien auswählen und aufbereiten. Die Entwicklung von Lern-Anwendungen bedeutet immer zusätzliche Arbeit, zu dem, was man ohnehin zu tun hat und kostet sehr viel Zeit. Die ohnehin schon überlasteten Kollegen fragen sich natürlich: Was habe ich davon? Weiterbildungsangebote werden in der Regel noch nicht auf die Lehrdeputate angerechnet, das heißt, man macht das freiwillig zusätzlich.
Hinzu kommt ein kulturelles Problem. Nicht jeder Professor, nicht jede Professorin ist begnadet in der Lehre. Eine Aufzeichnung der Lehrveranstaltung hält unerbittlich, quasi für die Ewigkeit, jede Unsicherheit, jeden Fehler fest. Da braucht man ein gutes Selbstbewusstsein und natürlich auch Medienkompetenz.
Wir beobachten aber, dass der Nachwuchs, der jetzt aufgrund des Generationswechsels bei den Hochschullehrern an die Unis kommt, eine gute Medienkompetenz hat und den technischen Möglichkeiten aufgeschlossen gegenüber steht. Die Angebote müssen aber nicht nur entwickelt, sondern auch verkauft werden. Als Professoren haben wir vordringlich die Aufgabe zu lehren, zu forschen und Wissen verständlich zu vermitteln.
Viele Kollegen und Kolleginnen sind einfach nicht dafür geeignet, Zielgruppen zu finden, zu werben und zu verkaufen. Es darf auch nicht ihre Aufgabe sein. Leider verfügen Universitäten häufig noch nicht über die Organisationsstrukturen, die einem die Vermarktung abnehmen, ganz zu schweigen von einem vernünftigen Budget. Natürlich gibt es in einigen Bundesländern auch Ausnahmen. Manchmal trifft man auch immer noch auf die Meinung, es sei quasi unethisch, Geld mit Lehrinhalten zu verdienen.
Zwischen den Universitäten Osnabrück und Oldenburg haben Sie ein Tauschgeschäft (Barter-Model) mit Lehrveranstaltungen initiiert. Warum gibt es nicht bereits ein reges Tauschgeschäft zwischen Universitäten?
Prof. Uwe Hoppe: Nach dem Pilotprojekt mit unseren Partnern in Oldenburg haben wir dies noch ausgebaut. Mit dem Projekt Atlantis (Academic Teaching and LeArning NeTwork in Information Systems) haben wir die niedersächsische Wirtschaftsinformatik zu einem universitären Lehrverbund zusammengeschlossen, um Nutzen aus einer standortübergreifenden Lehre zu ziehen. Das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur fördert das Projekt. Beteiligt sind die Universitäten in Braunschweig, Clausthal, Hannover, Göttingen, Osnabrück und Oldenburg.
Die ATLANTIS Netzwerkpartner tauschen gemeinsam Veranstaltungen aus und bieten sie in ihren jeweiligen Bachelor-Studiengängen an. Das Angebot der beteiligten Fachbereiche wird durch ATLANTIS verbreitert und steigert damit die Attraktivität des Faches Wirtschaftsinformatik in Niedersachsen. Der Verbund gibt den einzelnen Professoren die Möglichkeit, in ihrer Lehre Schwerpunkte zu setzen. Wesentliche Voraussetzung für die nachhaltige Fortführung des Verbundes wird sein, die Tauschprozesse so zu gestalten, dass alle Beteiligten einen Nettonutzen erzielen.
Das klingt gut, wir machen das auch und werden es erfolgreich betreiben. Es ist jedoch gar nicht so einfach wie es klingt. Die technischen Probleme haben wir gut im Griff. Es gibt jedoch keine Standardisierung von Anfangs- und Endzeiten der Vorlesungen oder genereller Semesterzeiten, nicht einmal an den Hochschulen des gleichen Bundeslandes.
Die Klausurzeiten sind auch verschieden. Wenn ich mich als Professor an dem Netzwerk beteilige, habe ich zunächst erst einmal erheblich mehr Studierende mit dem entsprechenden Betreuungs- und Prüfungsaufwand. Dafür verfügen meine Studierenden über ein breiteres Lehrangebot, da sie auch Veranstaltungen der Partneruniversitäten belegen können. Auch hier gibt es jedoch kaum Anreize für den einzelnen Hochschullehrer. Wir brauchen eine Anerkennung auf die Lehrdeputate und mehr personelle und finanzielle Ressourcen, um dies dauerhaft zu leisten.
Welche Chancen sehen Sie in der Vermarktung akademischer Lehrinhalte?
Prof. Uwe Hoppe: Es handelt sich ja häufig um Angebote, die aus den grundständigen Studiengängen, die wir für unsere Präsenzstudierenden anbieten, abgeleitet werden. Das nützt zunächst einmal unseren eigenen Studierenden, keine Frage. Sie haben ein Angebot an Lehrmaterialien, das zeitlich und räumlich flexibel zur Verfügung steht. Also kann ich mir eine Vorlesung auch abends in Ruhe zu Hause anschauen. Das hilft bei der Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Studium.
Bisher richten wir überwiegend Studiengänge für Vollzeitstudenten ein, aber viele arbeiten parallel zum Studium oder haben bereits Kinder. Darüber hinaus müssen wir die Weiterbildung als originäre Aufgabe der Hochschulen begreifen. Sie ist wichtig für den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Praxis, wichtig für ein lebenslanges Lernen und auch als Angebot für unsere ehemaligen Studierenden, die Alumnis. Früher oder später werden wir Bologna hinter uns haben und können uns dann verstärkt diesen Aufgaben widmen.
Wo noch nicht geschehen, müssen wir ähnlich wie in privaten Weiterbildungsinstituten die Strukturen und das Management aufbauen und die Zielgruppen ansprechen. Sehr wichtig sind die Anreizsysteme, weil bis heute frei nach Ulrich Wickert häufig noch gilt: wer sich freiwillig, mit wenig Unterstützung und keinen zusätzlichen Mitteln, die Arbeit macht, ist der Dumme.
Ihre LEARNTEC Veranstaltung zum Thema:
Sektion Branchen, Hochschule: "Verwertungsstrategien und Geschäftsprozesse für digitale Lernangebote",
Mi, 30.01.2008, 10.00 - 12.30 Uhr,
Vortrag: "Vermarktung universitärer Weiterbildungsangebote : Chancen, Risiken und Beispiele"