Hoher Bedarf an gut ausgebildeten Compliance-Spezialisten
Direktorin Birgit Galley weiß genau, warum der Mittelstand nachrüstet. Auch dass Spezialisten dringend gesucht werden. Sie kennt die Versuchung mancher Firmen, nach dem "Minimax"-Prinzip zu verfahren. Und erzählt von dem Trend, dass sich Young Professionals ihre hochkarätige MBA-Ausbildung zum Compliance-Fachmann neuerdings vom zukünftigen Arbeitgeber finanzieren lassen.
Sie sind mit Ihrem Portfolio breit aufgestellt. Was ist denn der "Renner" unter Ihren Angeboten?
Birgit Galley: Ganz eindeutig der MBA als berufsbegleitendes Studium. Er richtet sich an Fach- und Führungskräfte, die sehr themenspezifisch auf ihre bisherige Ausbildung draufsatteln wollen. Relativ neu ist bei uns der Master-Studiengang. Er richtet sich an junge Leute, die noch nicht so viel Berufserfahrung haben.
Aus welchen Branchen kommen die Studierenden denn zu Ihnen?
Birgit Galley: Pharma, Krankenkassen, Dienstleister, auch von der öffentlichen Seite, aus Ministerium, aber wir haben auch Staatsanwälte dabei oder Angehörige der Polizei. Aus den Unternehmen sind es oft Compliance & Fraud Manager, die dieses Amt bereits innehaben oder es demnächst übernehmen sollen.
Werden die Unternehmen aktiv aus einer zunehmenden Awareness heraus oder als Reaktion auf ganz bestimmte interne Vorgänge?
Birgit Galley: Meistens hat es schon ein konkretes Problem gegeben. Siemens ist überall. Auch der Mittelstand hat damit zu kämpfen, bloß gelangt dies nicht in die Öffentlichkeit - wenn der Prokurist dort über Jahre betrogen hat oder Unregelmäßigkeiten bei Ausschreibungen passiert sind. Manche haben auch das diffuse Gefühl, dass die Einschläge näherkommen, weil ein Partner oder ein konkurrierendes Unternehmen betroffen war. Hinzu kommt, dass die großen Konzerne Audits machen müssen. In diesem Kontext gerät dann auch der mittelständische Zulieferer ins Blickfeld.
Und deshalb werden Fach- und Führungskräfte zu Ihnen geschickt, um sich in puncto Compliance oder Risk & Fraud Management zu qualifizieren?
Birgit Galley: Davon waren wir anfangs ausgegangen, dass dies der Standard ist. Aber wir nehmen neue Trends wahr. Dass sich die MBA-Anwärter das Studium selbst finanzieren, um einen deutlichen Karrieresprung zu machen, noch dazu auf einem Feld, auf dem ein hoher Bedarf an gut ausgebildeten Leuten besteht. Nachdem man bei Siemens auf die Korruptionsaffäre mit ausgedehnten Compliance-Aktivitäten reagiert hat, war der Markt ziemlich leergesogen.
Und wenn man sich das nicht leisten kann?
Birgit Galley: Es gibt eine weitere Option. Bei uns existiert eine Art von Fellowship-Modell: Hintergrund ist, dass Unternehmen auf uns zukommen, weil sie Compliance-Spezialisten brauchen. Da bringen wir potenzielle Studierende mit einem neuen Arbeitgeber zusammen. Sie verpflichten sich, zwei Jahre bei ihm zu arbeiten und er finanziert ihnen indirekt das MBA-Studium.
Das heißt: Die Firma zahlt an uns aus einem Projektvertrag. Dadurch sind die Studiengebühren gedeckt und wir wiederum zahlen dem Studenten eine Zuwendung, zu seinem Lebensunterhalt in den zwei Jahren und seine Reisekosten.
Es ist kein Geheimnis, dass viele Unternehmen das Thema Compliance als lästig empfinden. Inwiefern deckt sich dies mit Ihrer Erfahrung?
Birgit Galley: Wer uns Studenten schickt, der meint es ernst. Und er bekommt einen MBA-Absolventen, der übergreifend fit ist in beispielsweise Recht, Betriebswirtschaft, Kriminalitätsprävention und Ethik. Der u. a. nicht nur stur gepaukt, sondern auch Krisensimulationen durchgespielt hat. Natürlich wissen wir um das Minimax-Prinzip, damit ist minimaler Aufwand bei maximaler Außenwirkung gemeint.
Ab etwa 500 Mitarbeitern sollte ein Unternehmen einen Compliance-Beauftragten haben. De facto passiert, dass oftmals der hausinterne Jurist dann Compliance als zusätzliches Aufgabengebiet oben drauf bekommt.
Wir leben in einer zunehmend komplexen Welt, die bestimmt ist von Digitalisierung. Lauern da mehr Fallstricke als früher?
Birgit Galley: Ja, das ist so. Dazu kommt die Globalisierung. Wenn ein Unternehmen auf zwei Märkten aktiv ist, daheim in Deutschland und dazu in den USA, dann sind die Rechtssysteme nicht immer kompatibel. Außerdem ändert sich die Gesetzeslage auch hierzulande: Auslandsbestechung ist seit der Jahrtausendwende ein Straftatbestand. Bestechung unter Firmen fällt inzwischen unter das Strafrecht. Da sich Märkte und auch Gesetze verändern, macht das das regelmäßige Nachhalten für Unternehmen nicht unbedingt einfacher.
Es heißt immer, dass die Deutschen in puncto Compliance hinter den USA hinterherhinken...
Birgit Galley: Dort gibt es genauso viele Fälle von Wirtschaftskriminalität wie bei uns. Aber dort hat man viel eher angefangen, strukturiert etwas dagegen zu unternehmen. Von den 50.000 Certified Fraud Examinern weltweit leben bestimmt 35.000 bis 40.000 in den USA. Dieses Berufsbild kannte man bei uns in der Vergangenheit gar nicht.
Andererseits soll man sich bei dem Vergleich Deutschland - USA auch nicht an den Pranger gestellt fühlen. Die Amerikaner haben im positiven Sinne in der Tat eine Vorreiter-Funktion, was Compliance and Fraud Management angeht. Davon haben wir hierzulande aber auch profitiert.
In den USA geht man auch unbefangener mit Whistle- blowing um, auch mit elektronischen und anonymen Hinweisgeber-Systemen...
Birgit Galley: Ja, die haben in der Tat ein positives Image. In Deutschland werden solche Systeme aufgrund unserer Historie oft noch mit Verrat und Denunziantentum assoziiert. Das ist ein ganz anderer Diskurs. Allerdings gerät diese Diskussion immer weiter ins Hintertreffen, da sich auch unser Denken den ganz praktischen Gegebenheiten anpasst.
Die School of Governance, Risk & Compliance gehört zur privaten Steinbeis-Hochschule und ist staatlich anerkannt. Die Ausbildung zum MBA hier erstreckt sich über zwei Jahre, darin enthalten sind 75 Präsenztage. eLearning spielt noch eine untergeordnete Rolle: Allerdings besteht die Möglichkeit, dass die Studierenden untereinander oder mit dem Dozenten über das Intranet kommunizieren.
Birgit Galley als Direktorin hat ursprünglich Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Recht studiert. Sie war für die Treuhandanstalt tätig, später fokussierte sie sich als Betrugsermittlerin (CFE) auf Unternehmensbewertung und Unterschlagungsprüfung.